Sinfonie Nr.15

op. 141

UA 1971 Moskau,
Dirigent: Maxim Schostakowitsch
Spezielle Besetzung: 19 Blasinstrumente, Peitsche oder Klappholz (Frusta), Kastagnetten, Holzblock (Legno), Xylofon, Vibrafon, Celesta
4 Sätze: AllegrettoAdagioAllegrettoAdagio

Sanderling erwähnt 2019, dass der erste Satz nach einer Aussage von Schostakowitsch als «Spielzeugladen» gehört werden kann. Das Spielerische, die neckisch eingesetzten Zitate aus der «klassischen Musik», wie wir es aus zahlreichen Sinfonien kennen, lässt kaum daran denken, dass dies seine letzte Sinfonie geworden ist.

Einleitung

  • Als die letzte seiner Sinfonien entstand, war er von schwerer Krankheit gezeichnet. Die Todesthematik ist mit Trauermarsch und dem Motiv aus Wagners «Walküre» (wie in der Ersten und der Neunten) mehrmals präsent, aber auch das Gewaltmotiv und sogar das «Invasionsthema» aus der Siebten sind zu hören. Anderseits verweist der Dirigent Michael Sanderling auf eine Aussage von Schostakowitsch, dass mit den beiden Glockentönen und den neckischen Zitaten aus der «klassischen Musik» ein Spielzeugladen eröffnet würde: Das klingelt und bimmelt und wirft selbst das hehre «Wilhelm Tell-Zitat» mit dem D-Es-C-H in den gleichen Topf. Das B-A-C-H-Motiv und «Wir arme Leut’» aus Alban Bergs «Wozzeck» bereiten aber im vierten Satz das vor, was mit dem ff-Schlag des Tam-tams klar wird: die schlimmstmögliche Wendung - der Tod. Er lässt den Klang in einem langen A-Dur-Akkord und schepperndem Schlagwerk «morendo» enden.

  • In den ersten Takten dieser Sinfonie verwendet der Komponist sein eigenes Tonzeichen, das hier zuerst versteckt erscheint, aber auch in dieser ersten Form Es-As-C-H im vierten Satz eingesetzt wird. Seit 1927 kann es in seinen Werken erkannt und in zahlreichen Werken nachgewiesen werden. Demonstrativ wird es in der 10. Sinfonie verwendet, in den Sätzen 1, 3 und 4, aber auch in allen vier Sätzen dieser letzten Sinfonie.

    Hier ist die Mutation von Es-As-C-H aufgezeigt, wie die Vier-Tonfolge durch Umtausch und Transposition in die Form D – ES - C – H = Dmitri Schostakowitsch verwandelt wird (nach Koball, 233; vgl. Grafik Satz 4).                                

    Michael Sanderling erwähnt 2019 in seinem Interview zur 15. Sinfonie, dass der erste Satz nach einer Aussage von Schostakowitsch als «Spielzeugladen» gehört werden kann. Das Spielerische, die neckisch eingesetzten Zitate aus der «klassischen Musik», wie wir es aus zahlreichen Sinfonien kennen, lässt kaum daran denken, dass dies seine letzte Sinfonie geworden ist. Er war allerdings erst 65 Jahre alt, aber von schweren gesundheitlichen Problemen geschwächt.

    Das erste Thema nach den beiden Glockentönen enthält die darin versteckte D-Es-C-H-Tonfolge. Das harmlose, aber konträre zweite Thema bleibt nur ein paar Takte lang unbehelligt. Es wird von dieser vorwitzigen Fünf-Tonfigur abgelöst, und mittels einer 12-Tonfolge wird das Wilhelm-Tell-Zitat eingeschmuggelt. Sogar der Satzschluss wird schon mal vorgeprobt, bevor die «Durchführung» anhebt.

    Diese aber setzt mit Blechbläser und Schlagwerk in der Art von spritziger Zirkusmusik ein, verarbeitet das Material nicht, wie es sich für eine echte Durchführung gehören würde, sondern wirft alle Themen in einen Topf und schüttelt ihn mit ungezügelter Energie, sodass das D-Es-C-H-Signet, das Tell-Zitat, die 12-Tonreihe und die Trompeten-Fanfare durcheinanderpurzeln, selbst das Gewaltmotiv wird noch beigebracht. Dreimal warnen Posaune und Basstuba mit vergrösserten Es-As-C-H vor dem Entgleiten in die Tollheit – vergeblich, denn die Schlusspassage ist ja schon geprobt worden.

    Der langsame zweite Satz beginnt mit einem Choral der Blechbläser und alterniert mit einem Thema des Cellos, das alle 12 Töne umfasst. Die Tonfolge Es-D-C-H eröffnet dann den Trauermarsch mit einer punktierten Grundform, die an Beethovens Mondscheinsonate op. 27/2 erinnert. Darauf hatte Schostakowitsch schon im ersten Satz der sechsten Sinfonie angespielt. Schneidende Akkorde rahmen den aggressiven Block ein, der den Trauermarsch-Rhythmus zu höchst bedrohlicher Form aufbläht, im Abklang ihn aber mit dem Holzblock zur Farce werden lässt. Schliesslich endet der Satz mit dem leeren Pauken-Rhythmus und drei grotesken Haltetönen der Fagotte. Das Fürchterliche und das Groteske treffen aufeinander.

    Mit einer viermal auf- und absteigenden 12-Tonreihe setzt der dritte Satz im 2/2-Takt ein. Im Rest dieses fünfminütigen Allegretto-Satzes bringt Schostakowitsch 88 Taktwechsel zustande, möchte aber doch nicht auf das lustige Auf-und-ab verzichten und operiert witzig mit Pauke und Holzblock. In den Schlusstakten kommen Piccolo, Kastagnetten, Trommel und Xylofon noch hinzu. Im Mitteilteil waren zweimal ganz deutlich die hüpfenden Takte aus dem Spinnerlied von Richard Wagners «Fliegendem Holländer» herauszuhören, aber auch ein transponiertes D-Es-C-H in den Blechbläsern. 

    Ein weiteres Wagner-Zitat spielt auch im Finalsatz eine dominante Rolle: Das Todverkündigungs-Motiv eröffnet ihn sogar und erklingt noch mehrere Male; auch auf Wagners «Tristan» wird angespielt. Zitate, fremde und eigene, sind hier die Hauptsache: zwei Zitate aus der siebten Sinfonie, das B-A-C-H-Signet, «Wir arme Leut!» aus dem «Wozzeck» von Alban Berg und selbstverständlich nochmals die neckische Piccolo-Figur mit dem D-Es-C-H. Mit dem heftigsten Schmerzakkord des ganzen Orchesters im Takt 232 und unregelmässigen Herztönen kündigt Schostakowitsch seinen eigenen Tod an und vierzig Takte lang liegende A-Dur-Streicherakkorde, die letztlich «morendo» verenden, beschliessen seine fünfzehnte und letzte Sinfonie.

    Die ganze Sinfonie kann auch als klangliche Umsetzung auf der Erzählbasis von Tschechows Novelle «Der schwarze Mönch» gehört werden, welche die phantomhafte Begegnung des Psychologen Kovrin mit einem Mönch als autobiografisches Eingeständnis in «die Abgründe der Psyche an sich selbst» schildert. [1]


    [1] Arthur Spirk: Schostakowitsch beim Wort genommen. Versuch, das Rätsel seiner 15. Sinfonie zu lösen. Neue Zürcher Zeitung, 26./27.09.1998, S. 68

Satz 1 — Allegretto

Dauer: 8 min
(mit Zitaten)


Satz 2 — Adagio

Dauer: 17 min


Satz 3 — Allegretto

Dauer: 5 min


Satz 4 — Adagio

Dauer: 19 min


Sätze 1—4

Dauer: 49 min

Anna Meyer

Genauso Grafik ist das Studio von Anna Meyer. Bei mir steht der Mensch im Mittelpunkt. Ich lege Wert auf individuelle Auftritte, klare Kommunikationskonzepte und zeitgemässes Webdesign.

Meine Stärken liegen im konzeptionellen, verständlichen und zielorientierten Gestalten, im Projektmanagement und in der Kommunikation mit Menschen. Seit 2010 führe ich mein Atelier im Herzen von Zürich.

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